Das Buch wurde erst durch den Film „Der Blaue Engel“ mit Marlene Dietrich und Emil Jannings (1930) so richtig bekannt. Aber der Film erzählt eine ganz andere Geschichte.
Professor Raat ist ein Opfer seines Namens und der damaligen preußischen Obrigkeit. Er sieht seinen Lebenssinn zunächst im Kampf gegen die unbotmäßigen Schüler, die ihn als „Unrat“ beschimpfen. Die Begegnung mit der „Künstlerin Fröhlich“ im Blauen Engel verändert sein Leben. Er ist fasziniert von der jungen Frau. Mit ihrer Hilfe erweitert er seine Kampfzone auf die ganz Stadt, hinter der man Lübeck vermuten darf. Aus dem eher biederen Schulmeister mit humanistischen Werten wird allmählich ein Anarchist, der die ganze Gesellschaft attackiert. Dass er am Ende scheitert, hat mit dem Schüler Lohmann zu tun, der ihm von Anfang an in vieler Hinsicht überlegen ist.
Kategorie: Begleitmaterial
Jenny Erpenbeck: Kairos (Roman von 2021)
„Kairos, der Gott des glücklichen Augenblicks, habe, so heißt es, vorn über der Stirn eine Locke, einzig an der kann man ihn halten. Ist aber der Gott erst einmal auf seinen geflügelten Füßen vorübergeglitten, präsentiert er einem die kahle Hinterseite des Schädels, blank ist die und nichts daran ist mit Händen zu greifen. War der Augenblick ein glücklicher, in dem sie damals, als neunzehnjähriges Mädchen, Hans traf?“.
Diese Frage stellt sich Katharina aus Ost-Berlin einige Jahre später, als sie zwei Kartons mit Briefen und anderen Erinnerungsstücken ihres verstorbenen Geliebten öffnet. Inzwischen ist nämlich aus ihrer Begeisterung für den über fünfzigjährigen Hans eine zerstörerische Belastung geworden – und parallel dazu hat sich auch noch (1990) die DDR aufgelöst.
Wir werden an unserem literarischen Abend auch der Frage nachgehen, ob die Verbindung persönlicher und politischer Verwicklungen, die Jenny Erpenbeck auf der Grundlage ihrer eigenen Erfahrungen in ‚Kairos‘ rekonstruiert, tatsächlich so geglückt ist, dass ihr zu Recht der renommierte Booker-Preis verliehen wurde.
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