Martin Walser: Ein springender Brunnen (Roman, 1998)

Eine Autobiographie wollte er auf keinen Fall schreiben, der letzten Juni verstorbene „Jahrhundert-Autor“. Dafür einen Erinnerungsroman, in dem der reflektierende Verfasser völlig dem Wasserburger Buben und Jüngling das Feld überlässt, der er einmal war. Diesen also begleiten wir, wie er, von der Notzeit nach dem ersten Weltkrieg bis zur Ratlosigkeit nach dem Ende des zweiten, sein Verhältnis findet zu den Üblichkeiten des traditionsgeprägten Dorfes, zu den moralischen Normen der Kirche und zu den Forderungen des aufkommenden Nationalsozialismus; wir erleben, was die erwachende Sexualität mit ihm anstellt und wie der zukünftige Literat schon erstaunlich früh beginnt, eine eigene Sprache zu suchen. Am Ende zelebriert der junge Kriegsteilnehmer und Überlebende eine Selbstbezogenheit, die wir heute als problematisch empfinden. Die „politische Unkorrektheit“ des Achtzehnjährigen hat ein Teil der Kritik 1998, im Jahr der Paulskirchenrede, dem missliebigen Autor Walser angelastet.

Martin Walser: Ein liebender Mann

Ein 74-Jähriger, der einer 19-Jährigen den Hof macht, darüber ein Buch zu schreiben, das hat den 84-jährigen Autor sehr gereizt. Entstanden ist 2008 ein lesenswerter Roman mit gut erfundenen Personen, Szenen und Orten. Der Roman zeigt den greisen Goethe, wie er sich in der Begegnung mit der geistreichen Ulrike von Levetzow faustisch verjüngt und zu großer sprachlich verehrender Form aufläuft. Die Junge kann dem „Alten Werther“ liebenswerte Züge abgewinnen, auch wenn er beim Spaziergang mit ihrem Tempo nicht Schritt halten kann und ins Stolpern gerät. Das Buch führt uns nach Marienbad, wo sich die Wohlhabenden einst gerne getroffen haben, und ins kleinstädtische Weimar, wo der Goethe-Klüngel den Dichterfürsten zum „leidenden Mann“ macht.

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