Martin Walser: Ein springender Brunnen (Roman, 1998)

Eine Autobiographie wollte er auf keinen Fall schreiben, der letzten Juni verstorbene „Jahrhundert-Autor“. Dafür einen Erinnerungsroman, in dem der reflektierende Verfasser völlig dem Wasserburger Buben und Jüngling das Feld überlässt, der er einmal war. Diesen also begleiten wir, wie er, von der Notzeit nach dem ersten Weltkrieg bis zur Ratlosigkeit nach dem Ende des zweiten, sein Verhältnis findet zu den Üblichkeiten des traditionsgeprägten Dorfes, zu den moralischen Normen der Kirche und zu den Forderungen des aufkommenden Nationalsozialismus; wir erleben, was die erwachende Sexualität mit ihm anstellt und wie der zukünftige Literat schon erstaunlich früh beginnt, eine eigene Sprache zu suchen. Am Ende zelebriert der junge Kriegsteilnehmer und Überlebende eine Selbstbezogenheit, die wir heute als problematisch empfinden. Die „politische Unkorrektheit“ des Achtzehnjährigen hat ein Teil der Kritik 1998, im Jahr der Paulskirchenrede, dem missliebigen Autor Walser angelastet.

Marco Balzano: Ich bleibe hier (Roman, 2020)

In diesem Roman wird die Geschichte der jungen Lehrerin Trina eng verflochten mit der Geschichte Südtirols. Da die Faschisten die deutsche Sprache bekämpfen, bekommt Trina als Deutschsprachige keine Anstellung. Deshalb unterrichtet sie in einer der „Katakomben-Schulen“, wo in wechselnden Verstecken Kinder heimlich auf Deutsch unterrichtet werden. Wir erleben mit Trina und ihrer Familie die langen und bitteren Jahre des faschistischen Regimes und des Kriegs. Der langersehnte Frieden bringt aber eine neue Gefahr: ein großer Konzern will einen Staudamm bauen und das ganze Tal überfluten.
Marco Balzano, Jahrgang 1978, ist ein Schriftsteller und Literaturdozent aus Mailand, der in Italien verschiedene Literaturpreise erhalten hat. Sein Roman „Ich bleibe hier“ kam auf den zweiten Platz des „Premio Strega“, des wichtigsten italienischen Literaturpreises, und war vor allem in Deutschland sehr erfolgreich.