Martin Walser: Ein springender Brunnen (Roman, 1998)

Eine Autobiographie wollte er auf keinen Fall schreiben, der letzten Juni verstorbene „Jahrhundert-Autor“. Dafür einen Erinnerungsroman, in dem der reflektierende Verfasser völlig dem Wasserburger Buben und Jüngling das Feld überlässt, der er einmal war. Diesen also begleiten wir, wie er, von der Notzeit nach dem ersten Weltkrieg bis zur Ratlosigkeit nach dem Ende des zweiten, sein Verhältnis findet zu den Üblichkeiten des traditionsgeprägten Dorfes, zu den moralischen Normen der Kirche und zu den Forderungen des aufkommenden Nationalsozialismus; wir erleben, was die erwachende Sexualität mit ihm anstellt und wie der zukünftige Literat schon erstaunlich früh beginnt, eine eigene Sprache zu suchen. Am Ende zelebriert der junge Kriegsteilnehmer und Überlebende eine Selbstbezogenheit, die wir heute als problematisch empfinden. Die „politische Unkorrektheit“ des Achtzehnjährigen hat ein Teil der Kritik 1998, im Jahr der Paulskirchenrede, dem missliebigen Autor Walser angelastet.

Gabriele Tergit: Effingers

Er gilt als ein Jahrhundertwerk, dieser umfangreiche Roman, der zum ersten Mal 1951 erschienen ist. Die einst recht bekannte Autorin erzählt die Geschichte mehrerer jüdischer Familien. Sie leben in Süddeutschland und Berlin. Die Handlung beginnt 1878 und endet in den 1940er Jahren. Die Effingers sind Handwerker, Fabrikbesitzer und Bankiers. Während der Kaiserzeit geht es ihnen gut. In der Weimarer Republik leiden sie wie alle Deutschen an der Inflation und den Folgen des Versailler Vertrags. Dann werden sie Opfer des NS-Regimes. Ein wichtiger Roman über die jüngere deutsche Geschichte und zugleich ein aktueller Beitrag zur Antisemitismus-Debatte.