Han Kang: Die Vegetarierin (2007) und Griechischstunden (2011)

„Ich hatte einen Traum“, so begründet die weibliche Hauptperson im ersten Roman ihre Entscheidung, keine tierischen Produkte mehr zu sich zu nehmen. Beim Lesen merkt man schnell, dass mehr dahintersteckt. In drei Perspektiven (Ehemann, Schwager und Schwester) wird die Geschichte einer bis dahin pflichtbewussten Hausfrau erzählt, die nicht nur Fleisch, sondern danach auch sämtliche Aufgaben verweigert, die ihr in der patriarchalen Gesellschaft Südkoreas um die Jahrtausendwende aufgebürdet werden.

In „Griechischstunden“ stehen zwei in sich gekehrte Menschen im Zentrum: ein erblindender Mann, der Altgriechisch unterrichtet, und eine seiner Schülerinnen, die ihre Stimme verloren hat. Beide sind Mitte Dreißig; ihre zaghafte Annäherung wird durch wechselnde Perspektiven und poetische Verdichtung atmosphärisch gut nachvollziehbar präsentiert.
Die weiblichen Gestalten in den beiden Romanen haben viele Gemeinsamkeiten, während die männlichen Figuren sehr unterschiedlich dargestellt sind. Insofern ergänzen und erhellen sich die Texte gegenseitig.